Vorgestern ist mein HTC Mozart eingetroffen. Ich hatte es absichtlich gebraucht gekauft, weil ich mir nicht sicher war ob Windows Phone 7 tatsächlich der Renner sei. Sollte es ein Reinfall werden, hielten sich die Kosten wenigstens in Grenzen. Immerhin war ich mit der Version 1.0 von Android auch nicht wirklich zufrieden.
Gerade als Entwickler weiß man ja oft genug was V1.0 tatsächlich bedeutet. Umso überraschter war ich von der doch recht guten Qualität und dem durchdachten Konzept. Ok, im Vergleich zu iOS und Android merkt man die geringe Entwicklungszeit. Mit Geduld, Spucke und Microsofts Marktmacht dürfte es sich aber als klare Konkurenz etablieren.
Kaum gedacht, schon passiert und so las ich heute: Nokia setzt auf Windows Phone 7 oder wie heise sagen würde Nokia setzt zum Sprung an
Mag sein, dass das nichts über die Qualität der Software aussagt. Dennoch von einer „Alianz der Verlierer“ zu sprechen ist arg gewagt. „Zwei Thrunthäne ergeben keinen Adler“ ist ebenfalls eine schlecht gewählte Aussage denn mindestens zwei Dinge werden in diesem Zusammenhang vergessen: Geld und Macht. Beides haben Microsoft und Nokia.
Bezogen auf die Macht, sind es bei Microsoft vorallem die Entwickler. Leute wie ich und meine Stammleserschaft, die im mobilen Markt durchaus eine einträgliche Einnahmequelle sehen, denen Apple zu sehr Alcatraz und Android zu sehr Hippie-Kommune ist. Wenn ich meine Freizeit schon opfere um massenhaft Geld zu schefeln (das ist doch das Versprechen an unsereins), will ich dafür anständige Unterstützung bei der Erstellung meiner Ware und eine möglichst große Käuferschicht.
Hier kommt Nokia gerade recht. Denn wenn man die Telefone ansieht war der Nerv-Nagel bisher vorallem die Software, während die Hardware in meinen Augen qualitativ vor oder zumindest gleichauf mit der von Samsung und HTC liegt. So haben es dann wohl auch Steve Ballmer und Stephen Elop gesehen. Beide holen nun die Keule raus um sie Steve Jobs und Sergey Brin - mit dem Namen kann er gar kein richtiger CEO sein 😉 - über den Schädel zu ziehen.
Stephe(n) und Steve gesellt sich gern. Was nicht verwundert wenn man bedenkt, dass der eine bis September letzten Jahres unter dem anderen gearbeitet hat. Eine Zusammenarbeit unter Freunden? Keine Ahnung, ist aber eigentlich auch egal. Denn am Ende zählt nur das Ergebnis und bis dieses fest steht rüttelt die obige Bekanntmachung samt Reaktionen ein wenig am Selbstverständnis einiger Firmen, die sich in der Vergangenheit etwas zu wichtig genommen haben. Wobei man den letzten Satz auch in anderem Kontext sehen kann…
Bekanntgegeben wurden folgende Dinge:
- Nokia will adopt Windows Phone as its primary smartphone strategy, innovating on top of the platform in areas such as imaging, where Nokia is a market leader.
- Nokia will help drive and define the future of Windows Phone. Nokia will contribute its expertise on hardware design, language support, and help bring Windows Phone to a larger range of price points, market segments and geographies.
- Nokia and Microsoft will closely collaborate on development, joint marketing initiatives and a shared development roadmap to align on the future evolution of mobile products.
- Bing will power Nokia’s search services across Nokia devices and services, giving customers access to Bing’s next generation search capabilities. Microsoft adCenter will provide search advertising services on Nokia’s line of devices and services.
- Nokia Maps will be a core part of Microsoft’s mapping services. For example, Maps would be integrated with Microsoft’s Bing search engine and adCenter advertising platform to form a unique local search and advertising experience.
- Nokia’s extensive operator billing agreements will make it easier for consumers to purchase Nokia Windows Phone services in countries where credit-card use is low.
- Microsoft development tools will be used to create applications to run on Nokia Windows Phones, allowing developers to easily leverage the ecosystem’s global reach.
- Microsoft will continue to invest in the development of Windows Phone and cloud services so customers can do more with their phone, across their work and personal lives.
- Nokia’s content and application store will be integrated with Microsoft Marketplace for a more compelling consumer experience.
Punkt 1 ist verständlich, denn auch wenn unsereins es nicht wahr haben will, gibt es da draußen doch noch Menschen die mit ihrem Telefon „nur“ telefonieren. Nummer 8 sollte wohl nur den Counter hoch treiben. Denn hier ändert die neue Freundschaft fast nichts. Interessant finde ich aber vorallem Punkt 6. Der in meinen Augen nicht weniger als die Zahlung ohne Kreditkarte im Marketplace bedeutet. Damit könnten die Appverkäufe in Europa durch die Decke gehen.
Selbst wenn man das Marketinggeschwurbel also zur Seite schiebt, hat die Kooperation immer noch eine Menge Gehalt. Nokia gewinnt ein recht passables Betriebssystem für ein paar seiner Geräte und Microsoft erhöt seinen, sowie „unseren“ Absatzmarkt. Fraglich ist für mich nur, warum dann die Börse dermaßen verschnuppft reagiert. Augenscheinlich nutzen die Herren alle ein IPhone…
Wahrscheinlicher ist aber, dass die Abkehr Nokias vom eigenen OS wie eine Degradierung zum reinen Hardwarelieferanten ala HTC wirkt. Leider vergessen die Anzugträger dabei aber, dass Nokia eben nur die Smartphones mit Win Phone 7 ausstattet, der Rest bleibt erstmal gleich. Weiterhin versprechen die obigen 9 Punkte auch eine aktive Beteiligung an einem durchaus tragfähigem System, dessen Wert nicht unterschäzt werden darf. Für Microsoft geht es auf kurz oder lang immerhin um den Fortbestand des eigenen Kerngeschäfts und demnach der Quelle meiner Brötchen.
Das jetzt aber auch noch auszuführen würde etwas lange dauern. Zusammenfassend bleibt zu sagen: „Konkurenz belebt das Geschäft“ und „Juhu ich muss wohl doch nicht wieder Java programmieren“ 😉
Update:
Wie ich gerade gelesen habe, hat der Faktor „Geld“ dem Faktor „Macht“ helfend unter die Arme gegriffen:
Microsoft lässt sich die Gunst seines neuen Partners Nokia Milliarden kosten.
bzw. noch interessanter:
In Medienberichten war zuvor schon spekuliert worden, Microsoft und Rivale Google hätten sich einen regelrechten Bieterwettstreit geliefert, um den Handy-Weltmarktführer für sich zu gewinnen.
oder noch mehr:
Hätte sich Nokia als weltgrößter Handy-Hersteller für die Android-Plattform entschieden, wäre die Folge ein „Duopol“ aus Apple und Google auf dem Mobilfunk-Markt gewesen,
Zum thema Männerfreundschaft, gab es dann auch noch was vom Manager Magazin.
Microsoft hat also mal wieder das Checkheft gezückt, was zeigt wie wichtig der Portable-Markt für die Firma ist. Ich denke uns Kunden und auch Entwicklern wird das sehr zugute kommen. Mal sehen, ob Apple seine restriktive Produktpolitik beibehält wenn die Entwickler und Firmen abwandern. Wobei es noch eine ganze Weile dauern wird bis Microsoft sich als wirklich ernstzunehmende Konkurenz in dem Markt etabliert hat. Ich sag nur Slate *hüstel*
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